Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Die landläufige Meinung, hohe ESG-Ratings würden automatisch eine positive Wirkung garantieren, ist ein gefährlicher Trugschluss.

  • Die meisten ESG-Strategien dienen primär dem Risikomanagement für den Investor, nicht der Schaffung von realem, zusätzlichem Nutzen für Umwelt oder Gesellschaft.
  • Echter Impact entsteht nur durch «Additionalität»: Ihr investierter Franken muss eine positive Veränderung bewirken, die ohne ihn nicht stattgefunden hätte.

Empfehlung: Fordern Sie statt vager ESG-Scores eine transparente Wirkungslogik ein, die den Weg von Ihrem Kapital zu einem messbaren, zusätzlichen Ergebnis lückenlos nachweist.

Als Philanthrop oder ethischer Investor in der Schweiz stehen Sie vor einer Flut von Anlageprodukten, die sich als „nachhaltig“, „grün“ oder „ESG-konform“ bezeichnen. Sie wollen, dass Ihr Kapital nicht nur Rendite erwirtschaftet, sondern auch Gutes bewirkt. Doch im dichten Nebel des Finanzmarketings wird die entscheidende Frage immer lauter: Bewirkt mein Geld wirklich einen Wandel, oder poliert es nur das Image von Unternehmen, die ohnehin schon agieren?

Die gängige Unterscheidung ist schnell gemacht: ESG (Environment, Social, Governance) bewertet, *wie* ein Unternehmen geführt wird – also seine Prozesse. Impact Investing hingegen fokussiert darauf, *was* ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen bewirkt. Diese Definition ist zwar korrekt, kratzt aber nur an der Oberfläche. Sie erklärt nicht, warum Ölkonzerne plötzlich in „nachhaltigen“ Fonds auftauchen oder warum der Kauf von grünen Staatsanleihen oft nur eine teure Geste ohne echten Klimaeffekt ist.

Doch was, wenn die wahre Trennlinie nicht in der Absicht, sondern in der knallharten Messbarkeit von Additionalität liegt? Der entscheidende Prüfstein lautet: Schafft meine Investition einen positiven Nutzen, der ohne mein Kapital nicht eingetreten wäre? Dieses Prinzip ist der Kompass, der Sie durch den Marketing-Dschungel führt und echtes Impact Investing von gut verpacktem ESG trennt.

Dieser Artikel rüstet Sie mit der kritischen Denkweise eines Impact-Analysten aus. Wir werden gemeinsam die Mechanismen und Tricks der Fondsindustrie aufdecken, die Grenzen von ESG-Ratings aufzeigen und konkrete Beispiele analysieren, damit Sie fundierte Entscheidungen treffen können – für Ihr Portfolio und für die Wirkung, die Sie wirklich erzielen wollen.

Warum ist ein CO2-reduziertes Portfolio noch kein Beitrag zum Klimaschutz?

Der gängigste Einstieg in nachhaltiges Investieren ist die Reduktion des CO2-Fussabdrucks im eigenen Portfolio. Man meidet Aktien von Kohleproduzenten oder Fluggesellschaften und bevorzugt Unternehmen mit geringeren Emissionen. Dies fühlt sich intuitiv richtig an und verbessert die ESG-Kennzahlen des Portfolios. Doch für den Klimaschutz bewirkt dieser Ansatz meistens nichts. Der Grund dafür ist das Fehlen von Additionalität. Wenn Sie eine Aktie eines Ölkonzerns verkaufen, kauft sie ein anderer Investor, der sich nicht um Nachhaltigkeit schert. Am realen Geschäftsbetrieb des Unternehmens ändert sich nichts; es wird keine einzige Tonne CO2 weniger ausgestossen.

Echter Klimaschutz durch Investitionen bedeutet, Kapital in Projekte zu lenken, die ohne dieses Geld nicht realisiert worden wären. Dies können neue Solarparks, Geothermieprojekte oder Technologien zur CO2-Abscheidung sein. Der Verkauf bestehender Aktien an der Börse finanziert jedoch nicht das Unternehmen selbst, sondern ist nur ein Tausch zwischen Investoren. Ein CO2-reduziertes Portfolio ist somit primär ein Instrument des Risikomanagements – es schützt den Investor vor den finanziellen Risiken des Klimawandels –, aber es ist kein aktiver Beitrag zur Lösung des Problems. Wie es Energie-Experten treffend formulieren, fehlt die entscheidende Wirkung, wie eine Analyse zur Energiewende zeigt, die festhält: «Ein zusätzlicher Franken für Biogas stellt aktuell keine Additionalität klimafreundlicher Energie her», wenn die Anlagen bereits existieren und rentabel sind.

Visualisierung des Additionalität-Konzepts bei Schweizer Klimainvestitionen

Diese Visualisierung verdeutlicht das Prinzip: Das Investieren in bereits bestehende, profitable Infrastruktur (wie ein alter Staudamm) schafft keinen neuen Nutzen. Erst die Finanzierung neuer, zusätzlicher Projekte (wie die neuen Solaranlagen) erzeugt echten Impact. Die Schweiz hat zwar ihre CO2-Emissionen aus Brennstoffen seit 1990 deutlich gesenkt, doch die zukünftigen Reduktionsziele erfordern massive Investitionen in *neue* Technologien, nicht nur die Umschichtung bestehender Portfolios.

Wie erwirtschaften Sie Rendite mit Mikrofinanzierung in Schwellenländern?

Mikrofinanzierung ist ein Paradebeispiel für echtes Impact Investing, bei dem die Wirkungslogik klar und messbar ist. Anstatt Aktien an der Börse zu handeln, fliesst Ihr Kapital direkt oder über spezialisierte Fonds an Mikrofinanzinstitute (MFIs) in Schwellen- und Entwicklungsländern. Diese MFIs vergeben Kleinstkredite an lokale Unternehmerinnen und Unternehmer, die sonst keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen hätten. Mit diesen Krediten bauen sie kleine Geschäfte auf, schaffen Arbeitsplätze und verbessern den Lebensstandard ihrer Familien und Gemeinschaften.

Die Schweiz spielt in diesem Sektor eine global führende Rolle. Analysten schätzen, dass rund ein Drittel der weltweit 12 Milliarden Dollar an Mikrofinanzanlagen von Genf oder Zürich aus verwaltet wird. Anbieter wie ResponsAbility, BlueOrchard und Symbiotics haben hier eine hohe Expertise aufgebaut. Die Renditen sind dabei nicht philanthropischer Natur, sondern marktgerecht und vor allem stabil. Da die Kredite an Tausende von verschiedenen Kreditnehmern in diversen Sektoren und Ländern vergeben werden, ist das Risiko breit diversifiziert und kaum mit den globalen Aktienmärkten korreliert.

Fallbeispiel: ResponsAbility Micro and SME Finance Fund

Der in Zürich ansässige ResponsAbility Micro and SME Finance Fund ist ein eindrückliches Beispiel für die Kombination aus Wirkung und Rendite. In den vergangenen 15 Jahren erzielte der Fonds mit nur einer Ausnahme (2016) einen positiven Return. Das Kapital ist in über 290 Mikrofinanzinstitute in 85 Ländern investiert. Diese wiederum haben Kredite an rund 40 Millionen Kleinstunternehmer vergeben und damit nachweislich zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über führende Schweizer Anbieter im Bereich Mikrofinanz, basierend auf Daten eines Branchenreports aus dem Jahr 2019. Sie zeigt die Konzentration und Expertise am Finanzplatz Schweiz.

Anbieter Verwaltete Vermögen (2019) Spezialisierung
BlueOrchard ca. USD 3 Mrd. Institutionelle Mandate
ResponsAbility ca. USD 3 Mrd. Retail & Institutionell
Symbiotics ca. USD 3 Mrd. Massgeschneiderte Mandate

Staatsanleihe oder Corporate Green Bond: Wo ist das „Greenium“ gerechtfertigt?

Green Bonds sind festverzinsliche Anleihen, deren Erlöse zweckgebunden für grüne Projekte eingesetzt werden müssen. Der Markt boomt und verzeichnete laut der Climate Bonds Initiative im ersten Halbjahr 2024 ein Wachstum von 14% gegenüber dem Vorjahr. Investoren sind oft bereit, für diese Anleihen einen leichten Aufpreis zu zahlen bzw. eine etwas geringere Rendite zu akzeptieren – ein Phänomen, das als „Greenium“ bekannt ist. Doch ist dieser Aufpreis immer gerechtfertigt?

Hier ist eine kritische Analyse der Additionalität unerlässlich. Kauft man eine grüne Staatsanleihe der Eidgenossenschaft oder Deutschlands, ist die zusätzliche Wirkung oft marginal. Diese Staaten haben eine exzellente Bonität und hätten die finanzierten Projekte (z.B. im öffentlichen Verkehr oder für Energieeffizienz in Gebäuden) sehr wahrscheinlich ohnehin umgesetzt. Der Green Bond dient hier mehr der politischen Signalwirkung als der Schaffung neuer, zusätzlicher Klimaschutzmassnahmen. Das Greenium ist in diesem Fall kaum mehr als eine Spende an den Staat.

Anders sieht es bei Corporate Green Bonds aus, also grünen Anleihen von Unternehmen. Hier kann die Additionalität deutlich höher sein. Wenn ein Unternehmen aus einem „braunen“ Sektor, z.B. ein Zementhersteller, eine grüne Anleihe ausgibt, um eine neue, CO2-arme Produktionsanlage zu finanzieren, die ohne diese zweckgebundene Finanzierung nicht gebaut worden wäre, ist der Impact real. Das Kapital ermöglicht eine Transformation, die sonst unterblieben wäre. In einem solchen Fall kann ein Greenium als faire Kompensation für die messbare positive Wirkung gerechtfertigt sein.

Fallbeispiel: PSP Swiss Property Green Bond Portfolio

Ein Beispiel aus der Schweiz ist die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property. Sie hat ihr gesamtes Anleihenportfolio in Green Bonds umstrukturiert. Die Transformation erfolgte nach den international anerkannten Green Bond Principles (GBP) und wurde durch ein ESG-Rating von Wüest Partner begleitet, das die Nachhaltigkeitsperformance der Immobilienobjekte detailliert bewertet. Hier fliesst Kapital gezielt in die Verbesserung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit eines grossen Immobilienbestands, was eine klare Wirkungslogik aufweist.

Der Trick der Fondsindustrie, der Ölkonzerne in Nachhaltigkeitsfonds spült

Eines der grössten Ärgernisse für ethische Investoren ist die Entdeckung von Öl-, Gas- oder Bergbaukonzernen in Fonds, die als „nachhaltig“ vermarktet werden. Dies ist kein Versehen, sondern das Ergebnis eines weit verbreiteten ESG-Ansatzes: dem „Best-in-Class“-Prinzip. Anstatt ganze Branchen wie die fossile Energiewirtschaft auszuschliessen, wählt dieser Ansatz aus jeder Branche die Unternehmen mit den relativ besten ESG-Ratings aus. Ein Fonds kann also den Ölkonzern mit den (vergleichsweise) besten Umweltauflagen und Sozialstandards halten und dies als ESG-konform rechtfertigen.

Für den Investor entsteht so eine gefährliche Illusion. Er glaubt, in eine nachhaltige Zukunft zu investieren, während sein Geld weiterhin Unternehmen finanziert, deren Kerngeschäft dem Klimaschutz fundamental entgegensteht. Dies ist ein Paradebeispiel dafür, wie ESG primär als Risikomanagement-Tool eingesetzt wird: Der Fondsmanager argumentiert, dass der „beste“ Ölkonzern weniger regulatorischen und Reputationsrisiken ausgesetzt ist als seine schmutzigeren Konkurrenten. Die absolute negative Wirkung des Geschäftsmodells wird dabei ignoriert. Hier zeigt sich die klare Trennlinie zum Impact Investing, wie Experten von ESGvolution betonen:

Impact Investing geht deutlich über ESG hinaus. Es hat das ausdrückliche Ziel, einen messbaren sozialen oder ökologischen Nutzen zu erzielen.

– ESGvolution, Analyse zu Impact Washing und Greenwashing

Für Investoren ist es daher entscheidend, die Anlagestrategie eines Fonds genau zu hinterfragen. Ein reiner „Best-in-Class“-Ansatz ist oft ein Warnsignal für potenzielles Greenwashing. Echte Impact-Fonds nutzen hingegen klare Ausschlusskriterien für schädliche Geschäftsmodelle und fokussieren auf Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen aktiv zur Lösung von Umwelt- und Sozialproblemen beitragen.

Checkliste: Warnsignale für Greenwashing erkennen

  1. Fehlende Drittpartei-Verifizierung: Achten Sie auf Zertifizierungen durch unabhängige, anerkannte Organisationen. Fehlen diese, ist Vorsicht geboten.
  2. Fokus auf Nebensächlichkeiten: Das Unternehmen hebt kleine, symbolische Umweltmassnahmen hervor, während die grossen negativen Auswirkungen des Kerngeschäfts ignoriert werden.
  3. Mangel an Transparenz: Seien Sie skeptisch, wenn ein Unternehmen keine klaren, detaillierten Informationen und Daten zu seinen Nachhaltigkeitspraktiken offenlegt.
  4. Vage und irreführende Sprache: Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „grün“ ohne konkrete Metriken, Ziele oder Zeitpläne sind oft ein Zeichen für leere Versprechungen.

Wann übertreffen nachhaltige Anlagen den breiten Marktindex SPI?

Die Frage, ob nachhaltige Anlagen eine bessere Performance als der breite Markt erzielen, beschäftigt viele Investoren. Jahrelang lautete das Mantra der Finanzindustrie, dass Nachhaltigkeit und Rendite Hand in Hand gehen. Die Realität ist jedoch komplexer. Es gibt Phasen, in denen nachhaltige Indizes den Swiss Performance Index (SPI) übertreffen, und Phasen, in denen sie hinterherhinken. Eine Outperformance ist kein Naturgesetz.

Der Erfolg nachhaltiger Strategien hängt stark von den zugrundeliegenden Faktoren und dem Marktumfeld ab. Viele ESG-Strategien neigen dazu, Wachstums- und Qualitätsaktien (Growth & Quality) zu bevorzugen und Value-Titel oder zyklische Branchen wie Energie und Rohstoffe unterzugewichten. In Marktphasen, in denen Technologiewerte boomen, schneiden diese Strategien oft hervorragend ab. Steigen jedoch die Zinsen und erleben Energiewerte eine Hausse – wie in den Jahren 2021/2022 –, können nachhaltige Portfolios eine deutliche Underperformance aufweisen.

Performancevergleich nachhaltiger Anlagen mit dem Swiss Performance Index

Es ist daher ein Fehler zu glauben, dass „Nachhaltigkeit“ per se ein Renditetreiber ist. Vielmehr ist es die damit oft einhergehende Qualitätsorientierung – die Bevorzugung von Unternehmen mit soliden Bilanzen, stabilen Geschäftsmodellen und guter Unternehmensführung –, die langfristig zu einer besseren risikoadjustierten Rendite führen kann. Als Impact Investor sollten Sie die Renditeerwartung realistisch einschätzen: Das primäre Ziel ist die Erzielung einer messbaren Wirkung, kombiniert mit einer marktgerechten finanziellen Rendite, nicht zwingend die kurzfristige Überperformance gegenüber dem SPI. Die kritische Betrachtung der eigenen Landes-Performance, wo die Schweiz im Climate Change Performance Index 2024 nur Rang 21 von 67 Ländern belegt, mahnt ebenfalls zur Vorsicht vor zu einfachen Annahmen.

Der Fehler bei der Wahl der Rating-Agentur, der Ihr ESG-Score verfälscht

Viele Investoren verlassen sich auf die ESG-Ratings von grossen Agenturen wie MSCI oder Sustainalytics, um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu beurteilen. Der fatale Fehler dabei ist die Annahme, diese Ratings seien objektiv und vergleichbar. In Wahrheit können die Bewertungen für dasselbe Unternehmen dramatisch voneinander abweichen. Der Grund liegt in fundamental unterschiedlichen Methodologien.

Die Wahl der „falschen“ oder die alleinige Betrachtung einer einzigen Rating-Agentur kann zu einem komplett verzerrten Bild führen. Ein tiefes Verständnis der Methodik ist für eine seriöse Analyse unabdingbar. Wer sich blind auf einen Score verlässt, gibt die Kontrolle über seine Anlageentscheidung an einen Algorithmus ab, dessen Logik er nicht versteht – ein rotes Tuch für jeden wahren Impact-Analysten.

Fallbeispiel: Methodik-Unterschiede zwischen MSCI und Sustainalytics

Eine Analyse von GreenFinanceGuru zeigt die fundamentalen Unterschiede auf. MSCI verwendet eine relative, branchenbasierte Bewertung auf einer Skala von AAA bis CCC. Ein Unternehmen wird also im Vergleich zu seinen direkten Konkurrenten bewertet. Dies führt zum „Best-in-Class“-Problem, bei dem auch der „beste“ Ölkonzern ein gutes Rating erhalten kann. Die Methodik gilt zudem als weniger transparent. Sustainalytics hingegen nutzt eine absolute Risikobewertung auf einer Skala von 0-100, die das unmanagbare ESG-Risiko eines Unternehmens misst. Diese Methodik ist branchenübergreifend vergleichbar und gilt als transparenter, da detaillierte Berichte die Zustandekommen der Ratings erklären. Ein Unternehmen kann hier auch dann ein hohes Risiko aufweisen, wenn es in seiner Branche führend ist.

Diese Divergenz ist kein Zeichen von schlechter Qualität, sondern von unterschiedlichen Philosophien. MSCI bewertet primär die finanziellen Risiken, die aus ESG-Faktoren für das *Unternehmen* entstehen. Sustainalytics fokussiert stärker auf die Risiken, die vom Unternehmen für die *Aussenwelt* ausgehen. Für einen Impact Investor, der die externe Wirkung seiner Anlage verstehen will, ist die zweite Perspektive oft die relevantere. Der alleinige Blick auf einen Buchstaben-Score von MSCI kann daher in die Irre führen.

Der Fehler in der Kommunikation, der Ihnen den Vorwurf des „Greenwashing“ einbringt

Greenwashing ist nicht nur ein Problem von Unternehmen, sondern auch eine Falle für Investoren. Wer seine „nachhaltigen“ Investitionen mit vagen, unbelegten Behauptungen bewirbt, macht sich angreifbar. Der grösste Kommunikationsfehler ist die Verwendung von blumiger Sprache anstelle von harten Fakten. Aussagen wie „Wir investieren in eine bessere Zukunft“ oder „Unser Portfolio ist grün“ sind bedeutungslos, wenn sie nicht mit konkreten, messbaren Wirkungsnachweisen untermauert werden.

Die Skepsis bei Anlegern ist gross und berechtigt. Laut einer Umfrage von Morgan Stanley äusserten über 60% der Befragten Bedenken bezüglich Greenwashing und mangelnder Transparenz bei ESG-Daten. Um den Vorwurf des Greenwashings (oder des naiven „Greenwishing“) zu vermeiden, müssen Sie in Ihrer Kommunikation die gleiche Präzision an den Tag legen wie bei Ihrer Analyse. Sprechen Sie nicht über Absichten, sondern über Resultate. Statt zu sagen, Sie unterstützen erneuerbare Energien, sagen Sie: „Unsere Investition hat die Installation von X Megawatt zusätzlicher Solarkapazität ermöglicht, wodurch Y Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden.“

Ein weiterer Aspekt ehrlicher Kommunikation ist die Anerkennung der Grenzen. Nicht jedes Problem kann von der Finanzindustrie gelöst werden. Wie die Analysten von True Wealth treffend bemerken, ist Greenwashing durch Finanzanlagen kein Teil der Lösung. Es erfordert politischen Mut und gesellschaftliches Engagement, anstatt komplexe Probleme an eine Branche zu delegieren, die sie allein nicht lösen kann. Ein Impact Investor, der diese Grenzen transparent kommuniziert, baut Glaubwürdigkeit auf. Er verspricht nicht, die Welt allein zu retten, sondern zeigt präzise auf, welchen spezifischen, messbaren Beitrag sein Kapital leistet.

Das Wichtigste in Kürze

  • Echter Impact erfordert Additionalität, nicht nur die Vermeidung von Negativem. Ihr Geld muss einen Unterschied machen, der sonst nicht stattgefunden hätte.
  • ESG-Ratings sind inkonsistent, oft intransparent und dienen meist dem Risikomanagement des Investors, nicht der Messung von externer Wirkung.
  • Prüfen Sie die Wirkungslogik: Verlangen Sie einen klaren Nachweis, wie Ihr Kapital zu konkreten, messbaren sozialen oder ökologischen Ergebnissen führt.

Warum zahlen Sie bald höhere Kreditzinsen, wenn Ihr Schweizer KMU keinen ESG-Rating hat?

Die Diskussion um ESG und Impact verlässt die Nische der spezialisierten Fondsmanager und erreicht den Kern der Schweizer Wirtschaft: die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Bisher war ein ESG-Rating für die meisten KMU irrelevant. Dies ändert sich rapide. Banken und Kapitalgeber beginnen, die ESG-Performance als wesentlichen Indikator für das Risikoprofil eines Unternehmens zu nutzen. Ein KMU ohne dokumentierte Nachhaltigkeitsstrategie wird zunehmend als riskanter eingestuft – und zahlt deshalb höhere Kreditzinsen.

Warum dieser Wandel? Das Volumen nachhaltiger Finanzanlagen in der Schweiz betrug laut der Swiss Sustainable Investment Market Study im Jahr 2023 bereits beeindruckende CHF 1’660 Milliarden. Die Banken, die diese riesigen Summen verwalten, stehen unter Druck ihrerseits nachzuweisen, dass auch ihre Kreditportfolios nachhaltigen Kriterien genügen. Ein Kredit an ein KMU mit hohem Energieverbrauch, schlechten Arbeitsbedingungen oder fehlender Governance stellt für die Bank ein Reputations- und Ausfallrisiko dar. Umgekehrt wird ein KMU, das seine CO2-Emissionen kennt, in seine Mitarbeitenden investiert und eine saubere Unternehmensführung praktiziert, als widerstandsfähiger und zukunftsfähiger angesehen.

Für Schweizer KMU ist es daher keine Frage mehr, *ob* sie sich mit ESG befassen, sondern *wie schnell*. Es geht nicht darum, teure Hochglanzberichte zu erstellen, sondern darum, systematisch Daten zu sammeln und Massnahmen zu dokumentieren. Zu den ersten, pragmatischen Schritten gehören die Erstellung einer einfachen CO2-Bilanz für Scope 1 und 2, die Dokumentation bestehender Sozialleistungen und Mitarbeiterförderungsmassnahmen, die Implementierung eines schriftlichen Verhaltenskodex oder die Prüfung kantonaler Förderprogramme. Ein erstes ESG-Rating von spezialisierten Anbietern muss nicht teuer sein, kann aber die Verhandlungsposition gegenüber der Bank erheblich verbessern.

Um die Relevanz dieses Themas für die gesamte Wirtschaft zu verstehen, ist es hilfreich, sich die fundamentalen Prinzipien wie die Additionalität nochmals vor Augen zu führen.

Für Sie als Investor bedeutet dies eine doppelte Chance: Sie können nicht nur in börsenkotierte Impact-Unternehmen investieren, sondern auch direkt oder über Private-Equity-Fonds jene Schweizer KMU finanzieren, die ihre nachhaltige Transformation ernsthaft angehen und damit ihre Zukunftsfähigkeit sichern. Bewerten Sie Ihr Portfolio daher nicht nur nach ESG-Scores, sondern fordern Sie von Ihren Beratern eine klare Darlegung der Additionalität und der Wirkungslogik für jede einzelne Investition.

Häufig gestellte Fragen zu ESG-Ratings und Impact Investing

Warum unterscheiden sich ESG-Ratings verschiedener Agenturen so stark?

Die Agenturen verwenden unterschiedliche Methodologien: MSCI bewertet relativ zur Branche, Sustainalytics absolut. Zudem variieren die Gewichtungen der E-, S- und G-Faktoren je nach Agentur, was zu stark abweichenden Ergebnissen für dasselbe Unternehmen führt.

Welche Rating-Agentur ist transparenter?

Sustainalytics betont Transparenz in seiner Methodik und stellt detaillierte Berichte zur Verfügung, die das Zustandekommen des Ratings erklären. Die Methodik von MSCI gilt gemeinhin als weniger transparent.

Sollten Anleger sich auf ein einziges ESG-Rating verlassen?

Nein, Experten empfehlen dringend, mehrere Ratings zu konsultieren und vor allem die zugrundeliegende Logik und Methodik der Agenturen zu verstehen, anstatt sich blind auf eine einzige Quelle oder einen einzigen Score zu verlassen.

Geschrieben von Beat Hürlimann, Eidgenössisch diplomierter Treuhandexperte und Unternehmensberater mit über 25 Jahren Erfahrung in der Finanzberatung für Schweizer KMU. Spezialisiert auf Steueroptimierung, Währungsabsicherung und Nachfolgeregelungen.