
Entgegen der landläufigen Meinung überzeugen Sie einen Schweizer Business Angel nicht mit der brillantesten Technologie, sondern mit einer wasserdichten Demonstration von Pragmatismus und Risikobewusstsein.
- Unrealistische Firmenbewertungen sind der häufigste Deal-Breaker. Realismus schlägt Ambition.
- Die Qualität des Netzwerks („Smart Money“) ist wichtiger als die reine Geldsumme. Ein Angel muss Türen öffnen können.
Empfehlung: Fokussieren Sie Ihren Pitch auf die Go-to-Market-Strategie und die Kapitaleffizienz, nicht auf technische Details. Zeigen Sie, dass Sie jeden Franken mit Bedacht einsetzen werden.
Sie haben eine bahnbrechende Idee, ein talentiertes Team und einen Prototyp, der funktioniert. Jetzt fehlt nur noch das Kapital, um durchzustarten. Der Weg führt Sie unweigerlich zu den Business Angels, den entscheidenden Kapitalgebern für Start-ups in der Frühphase. Viele Gründer glauben, ein exzellentes Produkt und ein charismatischer Pitch seien der Schlüssel zum Erfolg. Sie polieren ihre Pitch-Decks, üben vor dem Spiegel und träumen von Bewertungen in Millionenhöhe. Doch in der Schweiz gelten andere Regeln.
Die hiesige Investorenlandschaft, geprägt von erfahrenen Unternehmern und Managern aus soliden KMU und multinationalen Konzernen, tickt anders als die Hype-Kultur des Silicon Valley. Hier zählen nicht die grössten Versprechen, sondern die solidesten Beweise. Ein guter Businessplan und ein kompetentes Team sind Hygienefaktoren, keine Differenzierungsmerkmale. Wer hier überzeugen will, muss die Denkweise eines Schweizer Angels verstehen: Pragmatismus, Risikominimierung und der unbedingte Wille, nicht nur Geld, sondern vor allem strategischen Mehrwert zu investieren.
Doch die Realität sieht oft anders aus. Gründer scheitern nicht an der Qualität ihrer Idee, sondern an einem fundamentalen Missverständnis der Erwartungen. Sie präsentieren Science-Projekte statt Business Cases, sprechen von Skalierung ohne einen klaren Plan für die ersten zehn Kunden und verhandeln Verträge, ohne die langfristigen Konsequenzen zu verstehen. Dieser Artikel ist kein weiterer Ratgeber über das „perfekte Pitch-Deck“. Er ist ein Blick hinter die Kulissen, geschrieben aus der Perspektive eines Angels, der hunderte Pitches gesehen hat.
Wir werden die stillen Deal-Breaker aufdecken: von überzogenen Bewertungen über unvorteilhafte Vertragsklauseln bis hin zur falschen Wahl des Investoren-Netzwerks. Sie werden lernen, warum Geld allein die falsche Währung ist und wie Sie Investoren finden, die Ihr B2B-Produkt tatsächlich zum Kunden bringen. Machen Sie sich bereit, die typischen Gründerfehler zu vermeiden und Ihr Start-up für die anspruchsvolle, aber faire Schweizer Investorenlandschaft fit zu machen.
Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden strategischen Überlegungen, um Schweizer Business Angels nicht nur zu beeindrucken, sondern nachhaltig von Ihrem Vorhaben zu überzeugen. Die folgende Gliederung gibt Ihnen einen Überblick über die Kernthemen, die wir im Detail beleuchten werden.
Inhaltsverzeichnis: So gewinnen Sie das Vertrauen von Schweizer Angels
- Warum ist Ihre Firmenbewertung von 5 Millionen CHF für Angels unrealistisch?
- Wie bündeln Sie mehrere Klein-Investoren, um den administrativen Aufwand zu senken?
- Geld oder Netzwerk: Welcher Investor bringt Ihr B2B-Produkt wirklich zum Kunden?
- Die Klausel im Aktionärbindungsvertrag, die Sie bei der nächsten Runde blockiert
- SICTIC oder Business Angels Club: Wo pitchen Sie Ihr Fintech-Start-up am besten?
- Der Präsentationsfehler, der technisch brillante Projekte scheitern lässt
- Warum ist Seed-Money in der Schweiz schwerer zu finden als Series-A?
- Warum Zürich für B2B-Tech-Start-ups besser ist als Berlin?
Warum ist Ihre Firmenbewertung von 5 Millionen CHF für Angels unrealistisch?
Beginnen wir mit dem häufigsten und gravierendsten Fehler, den ich bei Pitches sehe: eine völlig überzogene Firmenbewertung. Eine Pre-Money-Bewertung von fünf Millionen Franken für ein Start-up ohne nennenswerten Umsatz ist in der Schweizer Angel-Szene schlichtweg eine rote Flagge. Es signalisiert nicht Ambition, sondern einen Mangel an Marktkenntnis und Schweizer Realismus. Angels sind keine Venture-Capital-Fonds, die auf einen von hundert „Unicorns“ wetten. Wir sind Unternehmer, die mit unserem eigenen Geld ein kalkuliertes Risiko eingehen und einen realistischen Return on Investment von 10-20x anstreben.
Ein realistischer Exit für ein erfolgreiches Schweizer Tech-KMU liegt oft im zwei- bis niedrigen dreistelligen Millionenbereich, nicht bei Milliarden. Wie der Swiss Venture Capital Report 2024 aufzeigt, ist die Anzahl der Exits 2023 deutlich gesunken, was den Druck auf realistische Bewertungen weiter erhöht. Wenn Ihre Einstiegsbewertung bereits zu hoch ist, wird ein profitabler Exit für den Angel mathematisch unwahrscheinlich. Dies zwingt Ihr Unternehmen in einen riskanten Hyper-Wachstumspfad, der oft nicht zur soliden B2B-Realität des Schweizer Marktes passt.
Vergessen Sie die Bewertungen, die Sie in TechCrunch lesen. Konzentrieren Sie sich auf pragmatische, in der Schweiz anerkannte Methoden. Anstatt Fantasiezahlen aus Excel-Tabellen zu präsentieren, sollten Sie Ihre Bewertung auf qualitativen Faktoren und Vergleichswerten basieren. Eine fundierte Herleitung zeigt, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben und ein ernstzunehmender Partner sind. Laut einer Publikation des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) gibt es bewährte Ansätze:
- Berkus-Methode: Bewerten Sie qualitative Meilensteine. Eine solide Geschäftsidee, ein erster Prototyp, ein qualifiziertes Managementteam und strategische Partnerschaften können jeweils mit bis zu 500’000 CHF bewertet werden, was zu einer realistischen Basisbewertung von 1.5 bis 2.5 Millionen CHF führt.
- Scorecard-Methode: Vergleichen Sie Ihr Start-up systematisch mit ähnlichen, kürzlich finanzierten Schweizer Start-ups. Berücksichtigen Sie Faktoren wie Team, Marktgrösse, Produkt/Technologie und Wettbewerbsumfeld.
- Venture Capital Methode: Rechnen Sie rückwärts. Schätzen Sie ein realistisches Exit-Szenario in 5-7 Jahren und diskontieren Sie es mit dem erwarteten ROI des Angels (10-20x). Dies ergibt oft eine Bewertung, die deutlich unter den Wunschvorstellungen der Gründer liegt.
Eine realistische Bewertung zwischen 1 und 3 Millionen Franken für eine Seed-Runde ist ein Zeichen von Professionalität. Sie lässt genügend Raum für zukünftige Finanzierungsrunden, ohne die Gründer und frühen Investoren zu stark zu verwässern. Es ist die Basis für eine faire und langfristige Partnerschaft.
Wie bündeln Sie mehrere Klein-Investoren, um den administrativen Aufwand zu senken?
In einer Angel-Runde sammeln Sie oft kleinere Tickets von mehreren Investoren, typischerweise zwischen 20’000 und 100’000 CHF. Das ist gut für die Risikoverteilung und um verschiedene Netzwerke anzuzapfen. Doch Vorsicht: Jeder dieser Angels wird Aktionär. Das bedeutet, jeder hat Stimmrechte, Informationsrechte und muss zu Generalversammlungen eingeladen werden. Ein Cap Table mit 15 oder mehr Kleinaktionären wird schnell zum administrativen Albtraum und kann bei späteren, grösseren Finanzierungsrunden abschreckend auf institutionelle Investoren wirken.
Professionelle Gründer antizipieren dieses Problem. Anstatt jeden Angel einzeln ins Aktienbuch einzutragen, bündeln sie die Investoren in einer einzigen rechtlichen Struktur. Dies hält den Cap Table sauber und vereinfacht die Governance erheblich. Für Sie als Gründer gibt es dann nur einen Ansprechpartner statt einem Dutzend. In der Schweiz haben sich dafür zwei Hauptmodelle etabliert: das Special Purpose Vehicle (SPV) und die Treuhandlösung.

Die Wahl zwischen diesen beiden Optionen hängt von den Kosten, der Anzahl der Investoren und der geplanten Unternehmensentwicklung ab. Ein SPV, oft als separate AG oder GmbH gegründet, ist professionell und flexibel, aber auch teurer in der Gründung und im Unterhalt. Eine Treuhandlösung ist schlanker und kostengünstiger, bietet aber möglicherweise weniger Flexibilität beim Exit. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Unterschiede:
| Kriterium | SPV (Special Purpose Vehicle) | Treuhandlösung |
|---|---|---|
| Gründungskosten | 15’000-25’000 CHF | 5’000-10’000 CHF |
| Laufende Verwaltung | 3’000-5’000 CHF/Jahr | 1’500-3’000 CHF/Jahr |
| Steuerliche Transparenz | Separate juristische Person | Durchreichung an Investoren |
| Geeignet für | AG mit >10 Investoren | GmbH mit 5-10 Investoren |
| Exit-Flexibilität | Hoch (verkaufbare Anteile) | Mittel (Treuhandvertrag) |
Die Entscheidung für eine Bündelungsstruktur ist ein starkes Signal an erfahrene Investoren. Es zeigt, dass Sie nicht nur an das schnelle Geld denken, sondern eine solide und skalierbare Unternehmensführung im Blick haben. Plattformen wie SICTIC nutzen solche Strukturen standardmässig, um ihre Investoren zu bündeln, was den gesamten Prozess für beide Seiten enorm professionalisiert.
Geld oder Netzwerk: Welcher Investor bringt Ihr B2B-Produkt wirklich zum Kunden?
Jeder Investor bringt Geld mit. Das ist die Grundvoraussetzung. Doch für ein B2B-Start-up in der Schweiz ist „dummes Geld“ fast wertlos. Was Sie in der Frühphase brauchen, ist „Smart Money“ – Kapital von einem Investor, der nicht nur auf sein Bankkonto, sondern auch auf sein Adressbuch zugreift. Der entscheidende Unterschied liegt im greifbaren Netzwerk: Ein Angel, der Ihnen die Tür zum C-Level eines potenziellen Pilotkunden öffnet, ist unbezahlbar. Er validiert Ihr Produkt, verschafft Ihnen den ersten Referenzkunden und verkürzt den Sales-Zyklus um Monate, wenn nicht Jahre.
Die Schweizer Angel-Landschaft ist heterogen. Es gibt ehemalige Banker aus dem Private Banking, Ex-Manager aus der Pharma-Industrie (Roche/Novartis) oder erfolgreiche Gründer von Tech-KMUs. Wie die Struktur von Business Angels Switzerland (BAS) zeigt, bringen die Mitglieder tiefes Branchen-Know-how mit. Wenn Sie ein MedTech-Produkt entwickeln, ist ein Angel mit Novartis-Hintergrund Gold wert. Für eine Cybersecurity-Lösung ist ein ehemaliger IT-Unternehmer der richtige Partner. Fragen Sie sich immer: Welcher Investor hat den Schmerz meiner Zielkunden selbst erlebt oder gelöst?
Lassen Sie sich nicht von grossen Namen oder beeindruckenden Titeln blenden. Viele Angels haben ein breites, aber oberflächliches Netzwerk. Was Sie brauchen, ist ein tiefes, aktives Netzwerk in Ihrer spezifischen Zielbranche. Ihre Aufgabe während der Due Diligence ist es, die Qualität dieses Netzwerks zu überprüfen. Seien Sie dabei respektvoll, aber hartnäckig. Ein echter „Smart Money“ Angel wird Ihre kritischen Fragen zu schätzen wissen. Er will sehen, dass Sie strategisch denken.
Um die Spreu vom Weizen zu trennen, müssen Sie die richtigen Fragen stellen. Gehen Sie über die üblichen Höflichkeiten hinaus und fordern Sie konkrete Beweise für den versprochenen Mehrwert. Ein guter Angel wird Ihnen Referenzen geben und seine Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit klar definieren.
Ihr Plan zur Überprüfung von „Smart Money“: Die Due-Diligence-Checkliste für Gründer
- Fragen Sie nach konkreten Referenzen: „Können Sie drei Ihrer Portfolio-Unternehmen nennen, denen Sie aktiv Kunden vermittelt haben, und darf ich mit ihnen sprechen?“
- Testen Sie die Netzwerk-Tiefe: „Wer sind Ihre Top-3-Kontakte in unserer Zielbranche hier in der Schweiz und wie eng ist Ihre Beziehung zu ihnen?“
- Verifizieren Sie die Commitment-Bereitschaft: „Wie viele Stunden pro Monat können und wollen Sie realistischerweise für unser Startup aufwenden und in welcher Form (z.B. Board-Sitzungen, Türöffner)?“
- Prüfen Sie die Branchenkompetenz: „Welche spezifischen Herausforderungen und Chancen sehen Sie in unserem Markt, die wir vielleicht übersehen haben?“
- Klären Sie die Erwartungen: „Welche konkreten, nicht-finanziellen Meilensteine (z.B. erster Pilotkunde) würden Sie in den ersten 6 Monaten nach dem Investment von uns erwarten?“
Die Klausel im Aktionärbindungsvertrag, die Sie bei der nächsten Runde blockiert
Sie haben einen Angel überzeugt, die Bewertung ist fair, das Netzwerk passt. Herzlichen Glückwunsch. Jetzt kommt der Moment der Wahrheit: der Aktionärbindungsvertrag (ABV). Dieses Dokument regelt die Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Investoren. Und hier, im Kleingedruckten, lauern die grössten Gefahren. In einem angespannten Marktumfeld, in dem laut VC-Magazin die Investitionen im Early-Stage-Bereich um ein Fünftel rückläufig waren, versuchen Angels, ihr Risiko durch härtere Vertragsbedingungen zu minimieren. Das ist verständlich, kann Ihr Start-up aber in goldene Fesseln legen.
Besondere Vorsicht ist bei den Vetorechten und Zustimmungserfordernissen geboten. Ein Angel, der sich ein Vetorecht für operative Entscheidungen sichert, kann Ihr Unternehmen lähmen. Wie eine Analyse von Bexio aufzeigt, sind Klauseln, die eine Zustimmung des Investors für Budgetfreigaben ab 20’000 CHF, die Einstellung von Schlüsselmitarbeitern oder den Abschluss strategischer Partnerschaften erfordern, nicht unüblich. Das mag aus Investorensicht der Risikokontrolle dienen, beraubt Sie als Gründer aber jeglicher Agilität. Sie werden zum Bittsteller im eigenen Unternehmen.

Die gefährlichste Klausel ist jedoch oft eine ungünstig formulierte „Liquidation Preference“, meist kombiniert mit einem Vetorecht bezüglich zukünftiger Finanzierungsrunden oder einem Exit. Eine „1x non-participating“ Liquidationspräferenz ist Standard und fair: Der Investor erhält im Falle eines Exits zuerst sein investiertes Geld zurück. Problematisch wird es bei „participating“ Klauseln: Hier erhält der Investor nicht nur sein Geld zurück, sondern partizipiert danach noch pro-rata am restlichen Erlös. Das schmälert den Ertrag für die Gründer erheblich. Noch schlimmer sind hohe Multiplikatoren (z.B. 2x oder 3x), die in der Schweiz zwar selten, aber nicht inexistent sind.
Ein Vetorecht über die Bedingungen einer Series-A-Runde kann Sie komplett blockieren. Ein einzelner Angel könnte eine neue, grössere Finanzierung verhindern, wenn ihm die Bewertung oder die neuen Investoren nicht passen. Das Resultat: Ihr Start-up geht ein, weil es kein frisches Kapital aufnehmen kann, obwohl es dazu bereit wäre. Verhandeln Sie hart, um solche umfassenden Vetorechte auf strategische Kernentscheidungen (wie einen Firmenverkauf) zu beschränken, sie aber aus dem operativen Geschäft und zukünftigen Finanzierungsrunden herauszuhalten.
SICTIC oder Business Angels Club: Wo pitchen Sie Ihr Fintech-Start-up am besten?
Die Suche nach dem richtigen Angel ist kein Glücksspiel, sondern eine Frage der gezielten Ansprache. In der Schweiz haben sich verschiedene Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert. Für ein Fintech-Start-up stellt sich oft die Frage: Gehe ich zum Swiss ICT Investor Club (SICTIC), dem grössten und technologisch orientiertesten Netzwerk, oder zu einem traditionelleren Club wie Business Angels Switzerland (BAS)? Die Antwort hängt von Ihrer Strategie, Ihrem Produkt und der Art des „Smart Money“ ab, das Sie suchen.
SICTIC ist eine hocheffiziente, prozessorientierte Maschine. Mit über 400 Mitgliedern, vielen davon selbst Tech-Unternehmer oder IT-Experten, finden Sie hier ein tiefes Verständnis für technologiegetriebene Geschäftsmodelle. Der jährliche Swiss Fintech Investor Day ist die führende Plattform für Fintech-Funding in der Schweiz. Wie die Erfolgsgeschichten auf ihrer Webseite zeigen, hat SICTIC über 300 Start-ups finanziert, was die hohe Erfolgsquote des Netzwerks unterstreicht. Der digitale Prozess und die Bündelung der Investoren in einem SPV machen die Abwicklung schnell und professionell. Wenn Sie eine schnelle, skalierbare Lösung suchen und Ihr Produkt eine starke technologische Komponente hat, sind Sie hier richtig.
Business Angels Switzerland (BAS) hingegen ist exklusiver und beziehungsorientierter. Mit rund 80 Mitgliedern, oft aus dem traditionellen Schweizer Wirtschafts- und Finanzsektor (Private Banking, Vermögensverwaltung), ist das Netzwerk kleiner, aber die individuellen Beziehungen können tiefer sein. Hier geht es weniger um einen standardisierten Prozess als um den persönlichen „Fit“. Wenn Ihre Fintech-Lösung stark auf Vertrauen und Zugang zum etablierten Finanzplatz angewiesen ist, könnte ein erfahrener Banker von BAS der bessere Türöffner sein. Die Ticketgrössen pro Angel sind hier tendenziell höher.
Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zusammen, um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern:
| Kriterium | SICTIC | Business Angels Switzerland (BAS) |
|---|---|---|
| Mitglieder | 400+ Business Angels | 80 Mitglieder |
| Investoren-DNA | Tech-Unternehmer, IT-Background | Private Banking, Vermögensverwaltung |
| Typische Ticketgrösse | 20’000-100’000 CHF (gebündelt) | 20’000-250’000 CHF (einzeln) |
| Fintech-Fokus | Swiss Fintech Investor Day (jährlich) | Branchenübergreifend |
| Erfolgsquote Funding | Oft >50% für gepitchte Startups | 10+ Investments pro Jahr |
| Prozess | Digital, prozessorientiert | Persönliche Beziehungen |
Die Wahl ist keine Entweder-oder-Entscheidung. Viele Start-ups pitchen bei beiden. Wichtig ist, dass Sie Ihren Pitch anpassen. Bei SICTIC zählen technische Details und Skalierbarkeit. Bei BAS zählen Vertrauen, das Team und der klare Business Case für den Schweizer Markt.
Der Präsentationsfehler, der technisch brillante Projekte scheitern lässt
Ich habe unzählige Pitches von technisch brillanten Gründern gesehen, deren Projekte am Ende dennoch keine Finanzierung erhielten. Der Grund ist fast immer derselbe: Sie präsentieren eine faszinierende Technologie, aber keinen überzeugenden Business Case. Sie verlieben sich in die Komplexität ihrer Lösung, anstatt sich auf das Problem zu konzentrieren, das sie für einen zahlenden Kunden lösen.
Schweizer Angels, oft pragmatische Unternehmer, investieren in Business Cases, nicht in Science-Projekte.
– Stefan Kyora, Startupticker
Diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf. Ein Angel will nicht wissen, *wie* Ihr Algorithmus im Detail funktioniert. Er will wissen, wer dafür bezahlt, warum, wie viel und wie Sie diese Kunden erreichen. Der grösste Fehler ist, den Pitch mit technischen Details zu überladen. Beginnen Sie stattdessen mit dem Schmerz des Kunden. Beschreiben Sie das Problem so lebhaft und greifbar, dass der Investor es fast körperlich spürt. Erst dann präsentieren Sie Ihre Lösung als das elegante, unumgängliche „Schmerzmittel“.
Ein weiterer häufiger Fehler ist die kulturelle Fehleinschätzung. Gründer, die zu sehr dem amerikanischen „Hype“-Stil nacheifern, wirken auf Schweizer Investoren schnell unseriös. Gleichzeitig ist die typisch schweizerische Bescheidenheit ebenfalls fehl am Platz. Es geht um die richtige Balance: Zeigen Sie klaren, unbedingten Ehrgeiz und einen grossen Zielmarkt, aber untermauern Sie jede Behauptung mit Fakten, einem detaillierten Go-to-Market-Plan und einer soliden Finanzplanung. Nennen Sie die ersten zehn Schweizer B2B-Unternehmen, die Sie als Kunden gewinnen wollen, namentlich. Das zeigt, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Schliesslich müssen Sie Finanzkompetenz ausstrahlen. Mindestens ein Mitglied des Gründerteams muss in der Lage sein, Kennzahlen wie die Burn Rate, die Customer Acquisition Cost (CAC) und die Unit Economics souverän zu erklären. Wenn Sie bei diesen fundamentalen Fragen zögern, signalisiert das ein enormes Risiko. Ein Investor vertraut Ihnen sein Geld an; er muss sehen, dass Sie damit verantwortungsvoll umgehen können. Lokale Validierung, sei es durch einen Pilotkunden aus der Schweiz oder einen Letter of Intent von einem bekannten Unternehmen, ist oft mehr wert als jede technische Demonstration.
Warum ist Seed-Money in der Schweiz schwerer zu finden als Series-A?
Gründer in der Schweiz stehen oft vor einem Paradox: Während in den Medien regelmässig über milliardenschwere Finanzierungsrunden berichtet wird, kämpfen viele exzellente Start-ups in der Frühphase darum, eine erste Seed-Finanzierung zwischen 500’000 und 2 Millionen Franken zu sichern. Es gibt eine strukturelle Lücke zwischen den ersten kleinen Finanzspritzen von „Friends, Family & Fools“ und den grossen Series-A-Runden institutioneller VC-Fonds. Warum ist das so?
Der erste Grund ist struktureller Natur. Die Schweiz verfügt über ein ausgezeichnetes System der öffentlichen Förderung. Institutionen wie Innosuisse oder kantonale Förderprogramme stellen nicht-verwässerndes Kapital für Forschung und Entwicklung bereit. Dies ist ein Segen, hat aber einen Nebeneffekt: Es übernimmt de facto die Funktion einer Pre-Seed-Finanzierung. Start-ups können so oft länger an ihrem Produkt entwickeln, ohne privates Risikokapital aufnehmen zu müssen. Die Kehrseite ist, dass diese Fördergelder keine „Smart Money“-Komponente beinhalten. Es fehlt der strategische Input und das Netzwerk eines erfahrenen Investors. Wie Daten von Statista zeigen, belief sich das Seed-Kapital im Jahr 2021 auf rund 170 Millionen CHF, ein Betrag, der im Vergleich zu späteren Phasen bescheiden ausfällt und die Finanzierungslücke verdeutlicht.
Der zweite Grund liegt in der Risikobereitschaft der Investoren. Schweizer Business Angels sind oft vorsichtiger als ihre Pendants in den USA oder Israel. Sie investieren lieber in Start-ups, die bereits erste Umsätze (Traction) oder zumindest einen validierten Product-Market-Fit vorweisen können. Ein reiner Prototyp reicht oft nicht aus. Diese Risikoaversion führt dazu, dass viele Angels erst in einer Phase einsteigen, die anderswo bereits als „späte Seed-Runde“ oder „frühe Series A“ gelten würde. Das Start-up ist dann bereits weiter entwickelt, die Bewertung aber auch entsprechend höher.
Diese „Seed-Lücke“ bedeutet für Gründer, dass sie extrem kapitaleffizient arbeiten müssen. Sie müssen mit den Mitteln aus öffentlicher Förderung oder ersten kleinen Angel-Tickets so weit wie möglich kommen, um den entscheidenden Beweis für die Marktfähigkeit ihres Produkts zu erbringen. Es geht darum, die Phase der höchsten Unsicherheit zu überbrücken, bis das Unternehmen für die risikoscheueren, aber kapitalstärkeren Investoren attraktiv genug ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Realistische Bewertung: Ihre Firmenbewertung muss dem pragmatischen Schweizer Marktumfeld entsprechen; 1-3 Mio. CHF sind für eine Seed-Runde ein solider Ausgangspunkt.
- „Smart Money“ priorisieren: Suchen Sie nicht nur nach Kapital, sondern nach Investoren mit einem nachweislich relevanten und aktiven Netzwerk in Ihrer Zielbranche.
- Vertragliche Freiheit sichern: Achten Sie auf Vetorechte und Liquidationspräferenzen im Aktionärbindungsvertrag, die Ihre zukünftige Handlungsfähigkeit einschränken könnten.
Warum Zürich für B2B-Tech-Start-ups besser ist als Berlin?
Berlin gilt oft als das pulsierende, kreative Herz der europäischen Start-up-Szene. Es ist laut, schnell und zieht Talente aus aller Welt an. Für viele B2C-Start-ups mag das der ideale Nährboden sein. Für ein ernsthaftes B2B-Tech-Start-up mit langfristigen Ambitionen behaupte ich jedoch: Zürich ist der bessere Standort. Der Grund liegt nicht in der Partyszene, sondern in drei unschlagbaren Vorteilen: Kundennähe, Stabilität und ein dichtes Support-Netzwerk.
Erstens, die Kundennähe. Zürich und die gesamte Schweiz sind die Heimat unzähliger globaler Marktführer in den Bereichen Finanzen, Pharma, Maschinenbau und Luxusgüter. Die Dichte an potenziellen, zahlungskräftigen B2B-Kunden ist enorm. Sie können hier nicht nur Ihr Produkt entwickeln, sondern es auch direkt vor der Haustür bei Weltkonzernen testen und verkaufen. Wie der Swiss Venture Capital Report bestätigt, sammelte Zürich auch 2023 schweizweit das meiste Investitionskapital, was die wirtschaftliche Potenz des Standorts unterstreicht.
Zweitens, die Stabilität und Vorhersehbarkeit. B2B-Geschäftsbeziehungen basieren auf Vertrauen und langfristigen Verträgen. Die politische und rechtliche Stabilität der Schweiz ist ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil. Ein starker Schutz des geistigen Eigentums (IP) und ein verlässliches Rechtssystem geben Ihren Kunden die Sicherheit, dass ihre Daten und Investitionen geschützt sind. Diese Vorhersehbarkeit ist für Grossunternehmen oft wichtiger als der letzte Rappen Ersparnis.
Drittens, das Ökosystem. Zürich bietet eine einzigartige Konzentration an hochspezialisierten Dienstleistern, die für ein B2B-Start-up entscheidend sind. Dazu gehören, wie die Plattform Innovation Zürich hervorhebt, Anwaltskanzleien mit Fokus auf Tech-IP, die „Big Four“-Prüfgesellschaften mit dedizierten Start-up-Programmen und eine hohe Dichte an Family Offices, die als geduldige, langfristige Investoren agieren. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) agiert zudem als wichtiger, regional verankerter Finanzierungspartner mit nationaler Reichweite. Dieses dichte Netz an professioneller Unterstützung macht den Aufbau eines soliden Unternehmens in Zürich deutlich effizienter als im chaotisch-kreativen Berlin.
Die Wahl des Standorts ist somit keine Lifestyle-Frage, sondern eine strategische Entscheidung, die Ihr Geschäftsmodell widerspiegelt. Während Berlin für schnelle, disruptive B2C-Modelle attraktiv sein kann, bietet Zürich die perfekte Umgebung für B2B-Tech-Start-ups, die auf Qualität, Vertrauen und nachhaltiges Wachstum setzen.
Wenn Sie diese Prinzipien verinnerlichen – Pragmatismus bei der Bewertung, die gezielte Suche nach „Smart Money“ und ein tiefes Verständnis für die vertraglichen und standortspezifischen Realitäten des Schweizer Marktes – sind Sie bestens gerüstet. Der nächste Schritt ist, diese Erkenntnisse konsequent in Ihrer Fundraising-Strategie anzuwenden und so das Vertrauen der anspruchsvollen, aber loyalen Schweizer Business Angels zu gewinnen.