Veröffentlicht am März 15, 2024

Recycling-Beton ist in der Schweiz nicht mehr nur eine ökologische Option, sondern eine wirtschaftlich und technisch ausgereifte Realität, deren Erfolg von der Planungsintelligenz abhängt.

  • Die Materialkosten sind in städtischen Gebieten oft ebenbürtig mit Primärbeton; die wahren Kostenfaktoren sind Transportdistanzen und die Effizienz des Rückbaus.
  • Die grössten Hürden sind nicht technischer Natur, sondern liegen in veralteten Ausschreibungsgewohnheiten und logistischen Versäumnissen, die die Ökobilanz zunichtemachen können.

Empfehlung: Der Schlüssel zur erfolgreichen und wirtschaftlichen Nutzung von Recycling-Beton liegt in einem frühzeitigen Bekenntnis im Projekt, der Planung eines sortenreinen Rückbaus und der gezielten Auswahl regionaler Aufbereitungsanlagen.

Jede Abbruchstelle in der Schweiz ist eine potenzielle Rohstoffquelle. Wo viele nur Bauschutt sehen, verbirgt sich das Fundament für neue Gebäude: Tonnen von Beton, die darauf warten, als hochwertiger Recycling-Beton (RC-Beton) wiederaufzuerstehen. Das Konzept des Urban Mining ist mehr als ein ökologisches Schlagwort; es ist eine materielle Notwendigkeit in einem ressourcenknappen Land. Die Diskussionen drehen sich oft um die Reduktion der grauen Energie und die Schonung von Kiesgruben – allesamt valide und wichtige Punkte.

Doch in der Praxis scheitern gut gemeinte Vorhaben nicht an der Vision, sondern an den Details. Viele Bauherren und Planer wissen um die Vorteile, zögern aber bei der Umsetzung. Man hört von angeblich höheren Kosten, unsicherer Qualität oder komplexen Normen. Diese Bedenken sind verständlich, basieren aber oft auf veralteten Informationen oder einem unvollständigen Bild der Prozesskette. Die wahre Herausforderung beim Einsatz von RC-Beton liegt weniger in der Materialtechnologie selbst – diese ist längst ausgereift – als vielmehr in den vorgelagerten und nachgelagerten Prozessen.

Wenn die wahre Kunst also nicht in der Herstellung des RC-Betons liegt, sondern in seiner intelligenten Anwendung, wo müssen wir ansetzen? Die Antwort ist eine ganzheitliche Betrachtung. Der Erfolg hängt von einer präzisen Planung des Rückbaus, einer cleveren Logistik, dem Verständnis der Kostenwahrheit und dem Mut ab, etablierte Ausschreibungspraktiken zu hinterfragen. Es geht darum, die Kontrolle über den gesamten Materialkreislauf zu übernehmen, vom alten Gebäude bis zum neuen Fundament.

Dieser Artikel führt Sie als Bauingenieur durch die entscheidenden Aspekte des Bauens mit RC-Beton in der Schweiz. Wir beleuchten die technischen Fakten, decken die wahren Kostentreiber auf, entlarven administrative Hürden und zeigen Ihnen, wie Sie Ihr Projekt von der Planung bis zur Zertifizierung erfolgreich auf ein zirkuläres Fundament stellen.

Um diese komplexen Zusammenhänge zu strukturieren, führt Sie der folgende Artikel schrittweise durch die entscheidenden Fragen, die sich jeder Bauherr, Architekt und Bauunternehmer in der Schweiz stellen sollte.

Warum hält Recycling-Beton genauso gut wie neuer Beton (und wo sind die Grenzen)?

Die Skepsis gegenüber Recycling-Beton wurzelt oft in der Frage seiner technischen Leistungsfähigkeit. Doch die moderne Aufbereitungstechnologie hat dieses Bedenken weitgehend ausgeräumt. Hochwertiger RC-Beton, insbesondere jener aus nass-mechanisch aufbereitetem Betongranulat (z.B. NovoCon), erreicht dieselben Druckfestigkeits- und Dauerhaftigkeitsklassen wie Primärbeton. Der Schlüssel liegt in der Qualität des Ausgangsmaterials: Ein sauberer, sortenreiner Betonabbruch führt zu einer Gesteinskörnung, die sich in ihren Eigenschaften kaum von neuem Kies oder Schotter unterscheidet. In der Schweiz ist dies keine Nischenanwendung mehr; RC-Gesteinskörnungen machen bereits etwa 10 % der jährlichen Gesamtgesteinskörnungsproduktion aus.

Zahlreiche Referenzprojekte belegen die Praxistauglichkeit und sogar die ästhetischen Möglichkeiten. Der Doppelkindergarten Brotegg in Frauenfeld wurde beispielsweise mit NovoCon RC-Sichtbeton realisiert, was die hohe Oberflächenqualität unterstreicht. Bei der Fernwärmezentrale Waldau in St. Gallen wurde dem RC-Beton sogar Backsteingranulat beigemischt, um eine spezifische gestalterische Wirkung zu erzielen. Diese Beispiele zeigen: RC-Beton ist kein Kompromiss, sondern ein vollwertiger, gestaltungsfähiger Baustoff.

Dennoch existieren klare technische und normative Grenzen, die im SIA Merkblatt 2030 definiert sind. Ein verantwortungsbewusster Ingenieur muss diese genau kennen. Die Anwendung ist nicht universell und erfordert eine sorgfältige, bauteilspezifische Prüfung:

  • Druckfestigkeit: Die Anwendung ist in der Regel auf die Druckfestigkeitsklasse C30/37 begrenzt. Für hochbeanspruchte Bauteile im Hochleistungsbereich ist er oft nicht die erste Wahl.
  • Expositionsklassen: Bei starker Frost-Tausalz-Exposition (z.B. bei Brückenfahrbahnen) ist Vorsicht geboten und der Einsatz eingeschränkt.
  • Karbonatisierung: Bei Bauteilen, die einem hohen Karbonatisierungsrisiko ausgesetzt sind, kann eine erhöhte Betonüberdeckung der Bewehrung notwendig sein, um die Dauerhaftigkeit zu gewährleisten.
  • Sicherheitsrelevante Bauteile: Für bestimmte kritische Infrastrukturen wie Spannbetonbrücken oder Komponenten von Kernkraftwerken ist RC-Beton nicht zugelassen.
  • Chemischer Angriff: In Umgebungen mit starkem chemischen Angriff (z.B. in Industrieanlagen oder Klärwerken) muss die Eignung gesondert und sehr sorgfältig nachgewiesen werden.

Die Kenntnis dieser Grenzen ist kein Hindernis, sondern ein Zeichen von Professionalität. Sie ermöglicht es, RC-Beton dort einzusetzen, wo er seine ökologischen und technischen Vorteile voll ausspielen kann – und das ist bei der überwiegenden Mehrheit der Hochbauprojekte in der Schweiz der Fall.

Wie planen Sie einen Rückbau, um Materialien sortenrein wiederzuverkaufen?

Der Wert eines zukünftigen Recycling-Baustoffs wird im Moment des Rückbaus definiert. Ein chaotischer Abriss produziert minderwertigen Mischabbruch, der bestenfalls im Strassenunterbau landet. Ein geplanter, sortenreiner Rückbau hingegen ist der erste Schritt des Urban Mining und schafft hochwertige, sortenreine Materialfraktionen, die als Sekundärrohstoffe wieder in den Kreislauf gelangen. Das Potenzial in der Schweiz ist immens: Von den jährlich anfallenden rund 17,5 Millionen Tonnen Rückbaumaterialien wurden laut kantonalen Erhebungen bereits 2018 etwa 12 Millionen Tonnen einer Verwertung zugeführt – eine Quote, die durch bessere Planung weiter steigerbar ist.

Der selektive Rückbau ist ein methodischer Prozess, bei dem das Gebäude Schicht für Schicht demontiert wird. Schadstoffe wie Asbest werden zuerst saniert. Anschliessend werden Wertstoffe wie Holz, Metalle, Kunststoffe und Fenster ausgebaut, bevor die mineralischen Hauptkomponenten (Beton, Ziegel, Kalksandstein) getrennt voneinander abgebrochen werden.

Selektiver Rückbau mit sortenreiner Materialtrennung auf Schweizer Baustelle

Diese Vorgehensweise erfordert mehr Planung und Zeit als ein konventioneller Abriss, zahlt sich aber mehrfach aus: durch geringere Deponiekosten, Erlöse aus dem Verkauf von Wertstoffen und die Schaffung eines qualitativ hochwertigen Ausgangsmaterials für RC-Beton. Die kantonalen Rahmenbedingungen spielen hierbei eine wichtige Rolle, da sie die Anreize und Vorschriften massgeblich prägen.

Ihr Audit-Plan für den sortenreinen Rückbau

  1. Bestandsaufnahme & Schadstoffanalyse: Erstellen Sie vor Beginn ein Materialkataster des Gebäudes. Identifizieren und lokalisieren Sie alle Baustoffe und führen Sie eine vorschriftsgemässe Schadstoffdiagnose (z.B. auf Asbest, PCB) durch.
  2. Rückbaukonzept definieren: Legen Sie die exakte Reihenfolge der Demontage fest (zuerst Schadstoffe, dann Innenausbau, dann Tragstruktur). Planen Sie die Trennmethoden für die verschiedenen Materialfraktionen.
  3. Logistik & Lagerflächen planen: Sorgen Sie für ausreichend Platz auf der Baustelle für die getrennte Lagerung in Containern oder auf Haufwerken. Planen Sie die Abtransportwege für die verschiedenen Fraktionen.
  4. Verwertungswege & Abnehmer sichern: Kontaktieren Sie frühzeitig regionale Recycling-Unternehmen und klären Sie deren Annahmebedingungen und Qualitätsanforderungen für die einzelnen Materialien.
  5. Dokumentation & Nachverfolgung: Führen Sie einen lückenlosen Nachweis über den Verbleib aller Materialien (Materialpass). Diese Dokumentation ist essenziell für Zertifizierungen wie Minergie-ECO.

Warum schreiben öffentliche Bauherren oft noch Primärmaterial aus Gewohnheit aus?

Obwohl die technischen Vorteile und die ökologische Notwendigkeit von RC-Beton unbestritten sind, bleibt die Nachfrage oft hinter den Möglichkeiten zurück. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der „Macht der Gewohnheit“ bei den Ausschreibungsverfahren, insbesondere im öffentlichen Sektor. Private Bauherren sind oft agiler und innovationsfreudiger, während öffentliche Ausschreibungen tendenziell auf bewährte, standardisierte Leistungsbeschreibungen zurückgreifen – und diese basieren historisch auf Primärmaterialien.

Adrian Amstutz, Präsident von arv Baustoffrecycling Schweiz, bringt das Problem auf den Punkt. Das Hindernis ist weniger technischer oder normativer Natur als vielmehr administrativ:

Das Problem liegt nicht darin, dass Normen fehlen, sondern dass in den Ausschreibungen immer noch sehr stark Primärmaterialien verlangt werden.

– Adrian Amstutz, Präsident arv Baustoffrecycling Schweiz

Diese Ausschreibungspraxis führt zu einem Paradox: Bauunternehmen und Betonwerke sind bereit, hochwertigen RC-Beton zu liefern, dürfen es aber oft nicht, weil die Ausschreibung explizit „Beton aus Primärgesteinskörnung“ fordert. Die Gründe dafür sind vielfältig: mangelndes Wissen bei den ausschreibenden Stellen, die Furcht vor vermeintlichen Risiken oder schlicht die Verwendung veralteter Textbausteine. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen Bauherren und Planer aktiv werden und RC-Beton als Standard oder zumindest als gleichwertige Variante in den Ausschreibungen festschreiben.

Fallbeispiel: Kanton Bern als Vorreiter

Dass es auch anders geht, zeigt der Kanton Bern. Als wichtiger öffentlicher Bauherr nimmt er seine Vorbildfunktion ernst und hat Nachhaltigkeit strategisch verankert. Kantonale Neubauten werden grundsätzlich im Minergie-P-ECO Standard realisiert. Dies bedeutet, dass der Kanton bei seinen Bauvorhaben, wo immer technisch möglich und ökologisch sinnvoll, konsequent rezyklierte mineralische Baustoffe (RC-Baustoffe) einsetzt. Diese klare politische Vorgabe durchbricht die administrative Trägheit und schafft eine verlässliche Nachfrage, die den Markt für Recycling-Baustoffe stärkt und die Innovation fördert.

Ist Urban Mining heute teurer als der Bezug aus dem Kieswerk?

Die Kostenfrage ist für jeden Bauherrn zentral. Die weit verbreitete Annahme, Recycling-Beton sei grundsätzlich teurer als Primärbeton, ist eine Vereinfachung, die einer differenzierten Betrachtung bedarf. Die Kostenwahrheit hängt massgeblich von der geografischen Lage des Bauprojekts ab. Der entscheidende Faktor ist der Transport: Sowohl der Abtransport des Abbruchmaterials zur Aufbereitungsanlage als auch der Rücktransport des RC-Betons zur Baustelle verursachen Kosten.

Wirtschaftlichkeitsvergleich Urban Mining in der Schweiz

In städtischen Gebieten, wo Abbruchmaterial anfällt und gleichzeitig eine hohe Nachfrage nach Beton besteht, sind die Transportwege kurz. Hier können die Kosten für RC-Beton oft mit denen für Primärbeton konkurrieren oder sogar günstiger sein, da gleichzeitig Deponiekosten für den Abbruch eingespart werden. In ländlichen Regionen, weit entfernt von Aufbereitungsanlagen, kann der längere Transport die Rechnung jedoch verteuern.

Die folgende Tabelle zeigt eine typische Kostenrelation, die den Einfluss des Standorts verdeutlicht:

Kostenvergleich RC-Beton vs. Primärbeton nach Region
Standort RC-Beton Primärbeton Differenz
Städtisch Gleichwertig Referenz ±0%
Agglomeration Leicht teurer Referenz +2-5%
Ländlich Teurer (Transport) Referenz +5-10%

Über die reinen Materialkosten hinaus muss die Gesamtbilanz betrachtet werden. Hochwertige Nassaufbereitungsverfahren wie NovoCon benötigen im Gegensatz zu einfacheren Trockenaufbereitungen keinen „Mehrzement“, um die gleiche Festigkeit zu erreichen. Dies ist ein entscheidender Vorteil, denn die Zementproduktion ist der Hauptverursacher der CO2-Emissionen bei der Betonherstellung. Somit ist der Einsatz von qualitativ hochwertigem RC-Beton deutlich nachhaltiger, was sich zunehmend auch in Zertifizierungen und dem Wert einer Immobilie niederschlägt. Die Frage ist also nicht nur „Was kostet der Kubikmeter?“, sondern „Was ist der Gesamtwert für mein Projekt und die Umwelt?“.

Das Transportproblem, das die Ökobilanz von Recycling-Baustoffen ruinieren kann

Die ökologische Stärke von Recycling-Beton liegt in der Einsparung von grauer Energie – jener Energie, die für die Gewinnung, Herstellung und den Transport von Primärmaterialien benötigt wird. Dieser Vorteil kann jedoch schnell zunichtegemacht werden, wenn die Logistik nicht stimmt. Lange Transportwege vom Rückbau zur Aufbereitungsanlage und zurück zur neuen Baustelle verbrauchen Treibstoff und erzeugen CO2-Emissionen, die den ökologischen Gewinn schmälern oder sogar ins Negative verkehren können.

Es gibt einen „ökologischen Break-even-Point“. Studien zeigen, dass der positive Effekt von RC-Beton je nach Recycling-Anteil und Aufbereitungsart erst nach einer bestimmten zusätzlichen Transportdistanz im Vergleich zum Bezug aus dem nächsten Kieswerk aufgehoben wird. Bei hochwertigem RC-Beton, der Primärzement einspart, ist dieser Puffer relativ gross. So können je nach Recycling-Anteil zusätzlich 100-170 km Transportweg in Kauf genommen werden, bevor die CO2-Bilanz kippt. Dennoch bleibt die Logistik die Achillesferse des Konzepts. Die goldene Regel lautet: Regionalität ist Trumpf.

Eine intelligente Logistikplanung ist daher kein „nice-to-have“, sondern ein kritischer Erfolgsfaktor. Es gilt, die Transportkilometer auf ein Minimum zu reduzieren. Folgende Strategien sind dabei entscheidend:

  • Mobile Aufbereitung: Bei sehr grossen Rückbauprojekten kann der Einsatz von mobilen Brecher- und Siebanlagen direkt auf der Baustelle sinnvoll sein. Das Material verlässt das Areal nie.
  • Regionale Partner: Wählen Sie bewusst ein Betonwerk und eine Aufbereitungsanlage in unmittelbarer Nähe zu Ihrer Baustelle. Ein Netz von dezentralen Anlagen ist ökologisch wertvoller als eine einzige grosse, weit entfernte Anlage.
  • Transportmittel prüfen: Für Grossprojekte entlang von Bahnlinien oder Wasserwegen kann die Prüfung von Schienen- oder Schiffstransport eine ökologisch und wirtschaftlich interessante Alternative zum LKW sein.
  • Distanz als Richtwert: Als Faustregel für die LKW-Logistik im dicht besiedelten Mittelland sollte eine maximale Transportdistanz von 30-50 km pro Weg angestrebt werden, um die Ökobilanz robust positiv zu halten.

Die Wahl des Standorts der Aufbereitungsanlage ist somit eine strategische Entscheidung, die bereits in der frühen Planungsphase getroffen werden muss und direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit und die Kosten des gesamten Projekts hat.

Die Gefahr von Schimmelbildung bei dichter Hülle, die viele Heimwerker unterschätzen

Ein hartnäckiges Vorurteil verknüpft den Einsatz von Recycling-Materialien fälschlicherweise mit einem erhöhten Risiko für Feuchtigkeitsprobleme und Schimmel. Bei RC-Beton ist diese Sorge unbegründet. Die Gefahr der Schimmelbildung in modernen oder sanierten Gebäuden entsteht nicht durch die Art des Betons, sondern ist eine direkte Folge der luftdichten Gebäudehülle. Diese ist eine zwingende Anforderung für das Erreichen hoher Energiestandards wie Minergie, um unkontrollierte Wärmeverluste zu vermeiden.

In einer solchen dichten Hülle kann die von den Bewohnern erzeugte Luftfeuchtigkeit (durch Atmen, Kochen, Duschen) nicht mehr durch undichte Fugen und Ritzen entweichen. Ohne einen geregelten Luftaustausch steigt die relative Luftfeuchtigkeit im Inneren an, kondensiert an den kältesten Oberflächen (meist Fensterlaibungen oder Wärmebrücken) und schafft so den idealen Nährboden für Schimmelpilze. Dieses physikalische Prinzip gilt völlig unabhängig davon, ob die Wände aus Primär- oder Recycling-Beton bestehen.

Die Lösung ist daher nicht die Vermeidung von RC-Beton, sondern die zwingend notwendige Installation einer mechanischen Komfortlüftung. Jede dichte Gebäudehülle, wie sie die SIA-Norm 180 (‚Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau‘) fordert, verlangt nach einem System, das für einen kontinuierlichen, kontrollierten Luftwechsel sorgt und so die Feuchtigkeit abführt. Zahlreiche in der Schweiz realisierte und Minergie-ECO-zertifizierte Gebäude beweisen, dass die Kombination aus RC-Beton, dichter Hülle und korrekter Lüftungsplanung problemlos funktioniert und ein gesundes, schimmelfreies Raumklima gewährleistet.

Welche Zertifikate müssen Sie vorlegen, um bei Gemeindeaufträgen zu punkten?

Wer bei öffentlichen Ausschreibungen in der Schweiz erfolgreich sein will, muss nicht nur einen konkurrenzfähigen Preis bieten, sondern zunehmend auch hohe ökologische Standards nachweisen. Zertifikate und Labels sind die „Währung“ der Nachhaltigkeit; sie machen die Qualität und die Herkunft von Recycling-Baustoffen überprüfbar und vergleichbar. Für Bauunternehmen und Planer ist es entscheidend, die relevanten Nachweise zu kennen und in der Offerte korrekt zu deklarieren.

Übersicht Schweizer Umweltlabels und Zertifikate für nachhaltiges Bauen

Die blosse Behauptung, ökologisch zu bauen, reicht nicht aus. Öffentliche Bauherren – von der Gemeinde bis zum Bund – fordern handfeste Beweise, die durch anerkannte Labels erbracht werden. Die Integration dieser Anforderungen in die eigene Planung und Dokumentation ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Die wichtigsten Labels und Kriterien im Kontext von RC-Beton in der Schweiz sind:

  • Minergie-ECO: Dieses Zusatzprodukt zum Minergie-Standard stellt hohe Anforderungen an Gesundheit und Bauökologie. Für eine Zertifizierung ist oft ein erheblicher Anteil an RC-Beton nicht nur erlaubt, sondern erwünscht oder sogar gefordert.
  • SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz): Dieser umfassende Standard bewertet ein Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus. Der Einsatz von Sekundärbaustoffen wie RC-Beton ist ein zentraler Indikator und wird positiv bewertet, oft wird ein Anteil von 50% vorgeschrieben.
  • ISO 14001: Die Umweltmanagement-Zertifizierung des ausführenden Bauunternehmens oder des Betonwerks selbst ist ein starkes Signal für prozessuale und organisatorische Verlässlichkeit im Umgang mit Umweltthemen.
  • VVEA-Konformität: Die „Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen“ verlangt eine lückenlose Dokumentation. Herkunftsnachweise vom Rückbau bis zum Einbau des RC-Betons sind unerlässlich.
  • KBOB-Empfehlungen: Die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) gibt Empfehlungen für nachhaltiges Bauen heraus, die oft zur Grundlage für öffentliche Ausschreibungen werden. Die korrekte Integration dieser Kriterien in die eigene Offerte ist entscheidend.

Das Wichtigste in Kürze

  • RC-Beton ist technisch ebenbürtig, aber seine Anwendung hat klare normative Grenzen (SIA 2030), die jeder Planer kennen muss.
  • Der wirtschaftliche Erfolg von Urban Mining wird durch die Logistik entschieden. Regionale Kreisläufe mit kurzen Transportwegen (ideal <50 km) sind der Schlüssel.
  • Der grösste Hebel zur Förderung von RC-Beton liegt bei den Bauherren: Fordern Sie den Einsatz in Ausschreibungen aktiv ein, um administrative Gewohnheiten zu durchbrechen.

Wie Sie Ihr Einfamilienhaus in der Schweiz nach Minergie-Standard sanieren und Fördergelder sichern?

Die Sanierung eines Einfamilienhauses nach Minergie-Standard ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch eine Investition in Komfort und Werterhalt. Die Integration von Recycling-Beton in ein solches Vorhaben ist heute problemlos möglich und wird im Rahmen von Labels wie Minergie-ECO sogar belohnt. Der Prozess erfordert eine strukturierte Planung, um sowohl die technischen Anforderungen zu erfüllen als auch die verfügbaren Fördergelder optimal zu nutzen.

Ein herausragendes Beispiel, das die höchsten Standards vereint, ist die Schulraumerweiterung Morillon in Köniz. Obwohl es sich um ein öffentliches Gebäude handelt, sind die Prinzipien auf private Sanierungen übertragbar. Das Projekt erfüllt die Anforderungen von SNBS, Minergie und den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn). Entscheidend war der Einsatz von Baumaterialien, die dem Minergie-ECO-Standard entsprechen – insbesondere Recyclingbeton mit CO2-Speicherung, der die ökologischen Kriterien für ein modernes, gesundes Gebäude erfüllt.

Für private Bauherren in der Schweiz gliedert sich der Weg zur Minergie-Sanierung mit Fördergeldern in folgende Schritte:

  1. Erstberatung und GEAK Plus: Der erste Schritt ist oft der Kontakt zur kantonalen Energieberatungsstelle. Ein Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) Plus zeigt den energetischen Zustand des Hauses und listet konkrete Sanierungsvarianten mit Kostenschätzungen und Fördergeld-Angaben auf.
  2. Planung mit Fachexperten: Beauftragen Sie einen Architekten oder Energie-Ingenieur mit Erfahrung in Minergie-Sanierungen. Dieser plant die Massnahmen (Dämmung, Fenster, Lüftung, Heizung) und kann den Einsatz von RC-Beton für Anbauten oder Fundament-Erneuerungen prüfen und spezifizieren.
  3. Fördergesuch stellen: Die Fördergelder für energetische Sanierungen werden in der Schweiz primär über „Das Gebäudeprogramm“ von Bund und Kantonen abgewickelt. Das Gesuch muss zwingend vor Baubeginn eingereicht und bewilligt werden. Ihr Planer unterstützt Sie dabei.
  4. Umsetzung und Zertifizierung: Nach der Bewilligung erfolgt die Umsetzung durch qualifizierte Handwerker. Nach Abschluss der Arbeiten und erfolgreicher Prüfung wird das Minergie-Zertifikat ausgestellt, welches den hohen Standard und den Wert Ihrer Immobilie dokumentiert.

Die frühzeitige Entscheidung für einen hohen ökologischen Standard wie Minergie-ECO öffnet die Tür für den sinnvollen Einsatz von RC-Beton und positioniert Ihr saniertes Eigenheim als zukunftsweisend und nachhaltig.

Beginnen Sie noch heute damit, diese Strategien in Ihre Projektplanung zu integrieren. Fordern Sie bei Ihrer nächsten Ausschreibung aktiv Recycling-Beton als Standard oder gleichwertige Variante und gestalten Sie so die gebaute Zukunft der Schweiz aktiv mit.

Geschrieben von Ursina Caminada, Architektin FH und zertifizierte GEAK-Expertin für nachhaltiges Bauen und energetische Sanierungen. Spezialisiert auf Minergie-Standards, alpine Architektur und neue Wohnformen.